Interview mit Franklin Frederick
Interview mit Franklin Frederick Franklin Frederick, bekannt für seine erfolgreiche Opposition gegen den rücksichtslosen Umgang von Nestlé mit der brasilianischen Quelle São Lourenço, ist auch für Hilfsprogramme der Schweizer Kirchen in Brasilien tätig. Seine Beziehungen zur globalisierungskritischen Organisation Attac machen ihn zum Opfer der Bespitzelung durch Nestlé.
ACTARES: Franklin Frederick, Sie sind nicht Mitglied von Attac. Inwiefern betrifft Sie die Aushorchung durch eine von Securitas eingeschleuste Agentin?
Franklin Frederick: In den von der Agentin verfassten Berichten, die Nestlé dem Lausanner Bezirksgericht vorgelegt hat, erscheint mein Name weit häufiger als der von anderen Personen, die mit Attac in Kontakt stehen. Attac unterstützt unsere Kampagne zugunsten des öffentlichen Zugangs zu Wasser.
Die Spionin ist an Treffen und Konferenzen tätig geworden, also in quasi öffentlichen Situationen. Sind die gesammelten Informationen tatsächlich so heikel?
In den Berichten wimmelt es nur so von persönlichen Details, E-Mail-Adressen, Personenbeschreibungen und sogar von Angaben über deren private und berufliche Situation. Und es gibt Hinweise, dass weitere Informationen gesammelt worden sind. Ich bin überzeugt, dass meine E-Mail-Korrespondenz überwacht worden ist, und ich wünschte mir sehr, dass Peter Brabeck, Verwaltungsratspräsident, mir von Angesicht zu Angesicht sagt, ob dies noch immer der Fall ist.
In Brasilien ist die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger recht gut gewährleistet. Die kolumbianischen GewerkschafterInnen hingegen riskieren ihr Leben, wenn ihre persönlichen Angaben in die falschen Hände fallen! Es ist äusserst wichtig zu wissen, welcher Gebrauch von diesen Daten gemacht worden ist.
Nestlé hat solche Praktiken öffentlich dementiert. Was sagen Sie dazu?
Nestlé scheint bei kritischen Kreisen eine Infiltrations- und Unterwanderungsstrategie zu verfolgen. Im Sommer 2008 hat sich Roland Decorvet, der Chef von Nestlé Schweiz, in den Stiftungsrat des Hilfswerks der HEKS (Evangelischen Kirchen der Schweiz) wählen lassen. Selbst wenn dies aus persönlicher Motivation erfolgte, ist doch der Loyalitätskonflikt offenkundig, allein schon wegen der «Ökumenischen Erklärung zum Wasser als Menschenrecht und als öffentliches Gut», die im Jahr 2005 von den christlichen Kirchen der Schweiz und Brasiliens unterzeichnet wurde. Sollte Roland Decorvet von Projekten Kenntnis erhalten, die seinen Arbeitgeber irritieren könnten - auf welche Seite wird er sich dann stellen? Ich bin heute besorgter denn je.